So ziemlich jeder Gebrauchsgegenstand lässt sich designen und zu jedem Kugelschreiber, über Kaffeemaschinen, einzelnen Möbelstücken oder kompletten Inneneinrichtungen bis zu ganzen Gebäudefassaden hat sich irgendwann ein Designer mal schwer Gedanken gemacht.
Die Stile sind mannigfaltig und heutzutage überwiegt meist das Geradlinige, das auch gleichzeitig funktional sein muss. Diese aufgeräumte, aber recht reizlose Linienführung, die man heute überall angeboten bekommt, mag ja vielleicht modern und praktisch sein, es ist nur leider selten ein Augenschmaus.
Wer es da eher verschnörkelt bis prunkvoll mag, dem gefällt vielleicht der Stil von Thomas Chippendale (1718 - 1779).
Der Möbeldesigner, der Mitte des 18. Jahrhunderts die Salons der feinen Gesellschaft einrichtete, begeistert noch heute mit seinem nach ihm benannten Stil. Er designte und fertigte seine Kreationen mit sehr viel Liebe zum Detail … sehr, sehr vielen Details. Die Zierde ist überwältigend, ohne dabei zu erschlagen und es gibt unglaublich viel zu bewundern und zu entdecken.
Er fertigte nicht nur einzelne Möbelstücke vom Stuhl, über Standuhren, Vitrinen, Schränken und Spiegeln bis zu pompösen Himmelbetten, er beriet seine Kundschaft auch in der Farbgestaltung und zum Thema der Innendekoration. Die in diesem Stil hergestellten Einrichtungsstücke sind echte Kunstwerke und Möbelstücke, die noch vom Designer selbst entworfen oder sogar hergestellt wurden, sind heute unerschwinglich. In England findet man noch einige Herrenhäuser, deren Räume fast komplett im Chippendale-Stil eingerichtet wurden und die man besichtigen darf. Wie das Harewood House in West Yorkshire beispielsweise.
Beim Anfertigen seiner Entwürfe ließ sich Thomas Chippendale von der Mode und den Stilen des späten Palladianismus, der Chinoiserie, des beginnenden Klassizismus und natürlich des Rokoko inspirieren. Seine Arbeiten nehmen aber auch schon Formen der Neugotik vorweg. Mal erinnern die Lehnen seiner Stühle an die Kirchenfenster gotischer Kathedralen, mal schaffte er es, die Ornamente der Sitzlehne wie verschnörkelte Schleifenbänder aussehen zu lassen, die sich um die kunstvoll gedrechselten Streben der übrigen Lehnenkonstruktion winden.
Die Rahmen seiner Wandspiegel gestaltete er in Anlehnung an den verspielten Prunk des Rokoko.
Hatte er den Auftrag erhalten, nicht nur einzelne Möbel, sondern gleich ein ganzes Zimmer zu gestalten, begnügte er sich nicht damit, einfach nur die passende Wand für den Spiegel auszusuchen, sondern er gestaltete die ganze Wand gleich mit. Farben, Tapete und Ornamente sind perfekt aufeinander abgestimmt und die Verzierungen des Spiegels passen perfekt auf das schimmernde Muster der Tapete, auf der der Spiegel angebracht ist. Auch die Sitzmöbel in so einem durchgestylten Raum sind mit demselben, schimmernden Stoff bezogen, der für die Wandtapete benutzt wurde und strahlen in exakt derselben Farbe und begeistern in identischem Muster.
Das State Bedroom im Harewood House in West Yorkshire, England ist ein Paradebeispiel für so einen im Chippendale-Stil durchgestilten Raum, bei dem nicht einmal bei der Decke Halt gemacht wurde. Hier wird sich nicht mit einfachem, weißem Stuck begnügt: die griechisch anmutenden Ornamente sind penibel farblich aufeinander abgestimmt und das Farbthema des gesamten Raumes wiederholt sich auch in den Bildern und Mustern der Deckenverzierungen.
Während der verschwenderische Prunk des einem König würdigen Himmelbettes und die verschnörkelten Möbelstücke nebst Wandspiegel in diesem Zimmer eher an den französischen Barock und Rokoko erinnern, setzt sich das griechische Thema der Deckenverzierungen in den schneeweißen Säulen fort, die das Himmelbett bewachen. Und trotz der Anlehnung an verschiedene Stilepochen, fügen sich Farben und Formen harmonisch zusammen.
Es ist schwierig angesichts all dieser Pracht den Mund vor Staunen geschlossen zu halten und man muss schon sein Leben lang an sehr viel Prunk und Glamour gewöhnt sein, um in so einem Schlafzimmer nicht nur den Mund, sondern auch die Augen geschlossen halten zu können, um vielleicht mal an so etwas wie Schlaf zu denken.
In so einem herrschaftlichen Zimmer wie denen im Harewood House wird niemals umgeräumt, denn alles ist bereits an seinem perfekten Platz. Thomas Chippendale strebte bei seiner Arbeit offensichtlich nicht weniger an, als die Perfektion in Vollendung.
Text: Nadja von der Hocht
Beitragsbild: Stuhl
Thomas Chippendale, CC0, via Wikimedia Commons
Foto: State Bedroom, Harewood House
Michael D Beckwith, CC0, via Wikimedia Commons
Foto: Deckendekor State Bedroom, Harewood House
Daderot, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto: Wandspiegel State Bedroom, Harewood House
Daderot, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto: Harewood House in West Yorkshire, England
User:Gunnar Larsson, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons