Nadja´s WeltIch habe zur Zeit einen, was das leibliche Wohl angeht, ziemlich unkomfortablen Arbeitsplatz. Essen und Getränke muß man sich frühzeitig noch vor Arbeitsbeginn besorgen, da ich in meiner Schicht immer alleine bin, den Laden nicht verlassen darf und somit niemanden bitten kann, mir schnell einen Kaffee zu holen.

Jetzt brauche ich aber spätestens gegen 15:00 Uhr meinen Wachmacher-Kaffee, um mich über meinen All-Nachmittäglichen Hänger herüber zu retten. Außerdem gestaltet sich so ein Arbeitstag viel angenehmer, wenn man sich ab und zu was Warmes über den Gaumen laufen lassen kann.

Also habe ich mir einen kleinen Wasserkocher besorgt, den ich in unser kleines Lager gestellt habe, in das ich mich zurückziehe, wenn ich mal schnell zwischen zwei Kunden in mein Brötchen beißen will. Danach habe ich mich auf die Suche nach Instant-Getränken und Snacks gemacht, die man mit Hilfe von heißem Wasser zubereiten kann. Jetzt stehen neben meinem kleinen Wasserkocher hübsch ordentlich aufgereiht eine Dose Cappuccino-Pulver und für jeden Tag der Arbeitswoche je eine 5-Minuten-Terrine. Was will man mehr? Für meine einsamen Schichten bin ich nun kulinarisch bestens gerüstet.
… Natürlich darf die neue Kollegin, die die zweite Schicht übernimmt, den Wasserkocher gerne mitbenutzen. Ich kam jedoch noch nicht dazu, ihr das mitzuteilen. Nach meinem freien Tag entdeckte ich allerdings, daß sie sich ebenfalls mit Kaffeepulver eingedeckt hatte. Nun gut, vielleicht dachte sie, der Chef hätte uns netterweise den Wasserkocher zur Verfügung gestellt. Über den Irrtum wollte ich sie gleich mal aufklären, wenn wir uns beim nächsten Schichtwechsel begegnen würden. Doch dazu kam es erst mal nicht. Ich wurde gebeten, für zwei Tage in der Woche eine andere Filiale zu übernehmen und damit fing mein Dilemma an:
Ich hatte mir den Wasserkocher besorgt, um mir den Arbeitstag angenehmer zu gestalten. Normalerweise hätte ich ihn jetzt mitgenommen, um ihn in der anderen Filiale zu benutzen. Jetzt hatte sie den Wasserkocher aber schon gesehen, ihn bestimmt auch schon benutzt und fälschlicherweise angenommen, daß der immer da stehet.
Für was für ein Riesenarschloch wird die Neue mich halten, wenn ich das Ding jetzt einfach wieder weg nehme? Vor allem, wenn man sich schon auf seinen Cappuccino gefreut hat, nur um zu entdecken, daß der Wasserkocher plötzlich weg ist? Ich kann das total nachvollziehen.
Die andere Filiale ist links und rechts gesäumt mit Hotels, Sandwichbuden und Cafés. Ich könnte verbotenerweise mal schnell rüber huschen, 1,50 € bezahlen und mir von den netten Nachbarn ein Tässchen Kaffee bringen lassen. Dann verzichte ich halt für zwei Tage auf meinen warmen Mittagssnack.
Andererseits … es ist mein Wasserkocher und ich kann damit machen, was ich will und wenn ich ihn von einer Filiale in die andere schleppen will, um ihn zu benutzen, dann darf ich das! … Aber dann sitzt die arme Kollegin bei dem naß-kalten Wetter, daß wir zur Zeit haben ganz alleine, ohne die Möglichkeit auf ein Schälchen Heißes in der trostlosen Filiale und darbt vor sich hin. Kann ich das verantworten?
Ich glaube, das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Warum kann ich mich nicht einmal gepflegt um mich selber kümmern, ohne mir ständig ´nen Kopp um andere Leute und deren Belange zu machen?!?
Alle anderen sehen zu, daß es ihnen selber gut geht, auch ohne daß man sie für Egoisten hält; nur „Frau von Kontrollzwang“ muß wieder der ganzen Welt dienlich sein und dabei selbst immer zurückstecken! Es heißt zwar: „Gib, so wird dir gegeben“, aber bei mir ist noch nie ein Scheck angekommen …


Text: Nadja von der Hocht

Grafik: Nadja von der Hocht