Nadja´s WeltWenn man den Zahlen auf den unzähligen Seiten im Internet Glauben schenken kann, dann scheint die Depression die neue schleichende Volkskrankheit zu sein.

Niemand spricht darüber, aber jeder zweite scheint leicht bis mittelschwer von ihr befallen zu sein. Es gibt sogar Schnelltests, mit denen man rausfinden kann, ob man selbst betroffen ist. Wenn man Aussagen wie: „Ich grüble sehr viel“, „Ich habe Probleme Entscheidungen zu treffen“ oder "Ich leide unter körperlichen Beschwerden wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen" auf sich beziehen kann, könnte man schon depressiv sein! Man hört in den Nachrichten von Prominenten, die sich aufgrund einer Depression (oder wegen Drogen) das Leben genommen haben und fragt sich, wenn die mit all ihrem Erfolg, dem vielen Geld und dem luxuriösen Lebenswandel nicht glücklich waren und depressiv geworden sind, wie soll ich denn da zufrieden bleiben?!
Jetzt kann man wieder Statistiken zu Rate ziehen und stellt fest, dass die Depressionen erst in jüngster Zeit überhandgenommen haben und das unsere Großeltern und die Generationen davor wohl weniger Probleme mit Stimmungstiefs gehabt haben. Woran mag das liegen? Ich wage hier mal eine Theorie:

Unser Lebenswandel hat sich in den letzten hundert Jahren radikal verändert. Alles ist schneller geworden, es gibt keinen Familienverband mehr. Die Alten werden aussortiert und niemand will mehr von ihren Erfahrungen partizipieren oder noch lästiger, sie wieder in die Familie integrieren. Es gibt ja Altenheime.
Wir alle sind nur noch als Einzelkämpfer unterwegs. Selbst in so mancher Ehe läuft ein Wettstreit darüber, wer den meisten beruflichen Erfolg hat und wer das meiste Geld nach Hause bringt. Kinder werden nur noch aus Versehen geboren, weil die Eltern vergessen haben, ihre Teenager rechtzeitig aufzuklären, bevor sie sexuell aktiv wurden, oder man bekommt Kinder, weil es gerade In ist, oder die Nachbarin oder die Schwester auch eines hat. Leider stört es im Alltag und bei der beruflichen Selbstfindung und wird, kaum dass es alleine sitzen kann, in der nächstbesten Kinderkrippe oder bei einer Tagesmutter abgestellt.
Denn der Beruf, bzw. das Geldverdienen verlangt heute die ungeteilte Aufmerksamkeit! Man muss schließlich seine Miete bezahlen. Strom, Wasser, Müllentsorgung, Lebensmittel, alles kostet immer mehr Geld und bald ist eine warme Wohnung mit fließend, warmen Wasser keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern purer Luxus. Auch reicht es nicht mehr, einen Festnetzanschluß zu haben. Nein! Man muss jederzeit mobil erreichbar sein und immer das neueste „Schmierhandy“ besitzen. Alles wird schneller und hektischer. Man muss ständig der Welt posten, wo man gerade ist, was man macht, oder ißt, wen man trifft und ob einem das gefällt. Die Menschen schauen sich nicht mehr um. Egal, wo sie gehen und stehen und manchmal sogar fahren!, sie starren auf ihre kleinen beleuchteten Displays, um ja nichts zu verpassen, was in der digitalen Welt vor sich geht. Willkommen in der Matrix!
Mag sein das jetzt so mancher Leser an dieser Stelle denkt: „Wow! Jetzt ist sie aber weit abgeschweift!“ Nein, nein! Nicht ich bin vom Kurs abgekommen, sondern der allgemeine Lebenswandel. Die heutige Welt erlaubt es einem nicht mehr, mal kurz inne zu halten und zu verschnaufen. Dafür ist einfach keine Zeit. Man muss weitermachen und sich abhetzen, denn man muss alles alleine schaffen. Und da man heute die Aufgaben von mehreren Personen alle allein bewältigen muss, verwundert es nicht, dass sich viele Menschen allein gelassen oder minderwertig fühlen, denn das Pensum ist auf Dauer einfach nicht zu schaffen!

Hier ein kleiner Appell: Ihr müsst innehalten. Bleibt mal kurz stehen und schaut euch um. Das Leben ist ziemlich kurz und wenn ihr nicht ab und zu stehen bleibt und euch umschaut, dann könnt ihr es verpassen!

Ich sage nicht: „Früher was alles besser“, aber vielleicht sollten man sich doch die ein oder andere Tugend aus vergangenen Tagen wieder zu Eigen machen. Um das Leben zu stemmen, braucht man Manpower und eine gut durchdachte Arbeitsaufteilung. Leider funktioniert das alte System heute nicht mehr: der Mann besorgt das Geld und die Frau kümmert sich um Haus und Kinder. (Nein! Umgekehrt klappt das auch nicht!) Denn das Geld, das einer alleine mit einer normalen Tätigkeit verdienen kann, reicht heute schlichtweg nicht mehr, um eine Familie zu ernähren! (Es sei denn man vertickt Waffen oder Drogen) Vielleicht ist das schon der Kern der Sache. Früher waren die Menschen einfach zufriedener, weil jeder im Leben irgendwann seine Aufgabe und seinen Platz gefunden hatte. Man war Ernährer, Vater, Mutter, Großmutter, Großvater, Tante, Onkel, Hausfrau oder Hausmann und damit das Leben rund lief, trug jeder seinen Anteil dazu bei.
Heute kann man sich fünfzig Stunden die Woche den Arsch abschuften und muss trotzdem noch Schulden machen, weil es einfach nicht reicht! Die Angst vorm Versagen ist und bleibt ein ständiger Begleiter.

Alles was man will, ist zu leben. Warum wird einem die bloße Existenz heute so verdammt schwer gemacht?! Kaum erreicht man die Volljährigkeit, stehen die „grauen Herren“ vor der Tür und erklären dir, dass du jetzt mit deinem lächerlichen Lehrlingsgehalt zu allererst in eine Versicherung investieren musst! Die Angst vor dem Leben wird schon sehr früh und systematisch von Regierung, Wirtschaft, der Werbung und den Medien geschürt. Und natürlich reicht eine Versicherung nicht aus! Nein, nein, nein! Ha,ha! Was dachtet ihr denn?! Das komplette Paket muss her: Unfall, Krankheit, Berufsunfähigkeit, das Auto, und nicht zuletzt, das Leben. Alles muss für den Fall der Fälle abgesichert werden. Das kostet ein Vermögen. Nur um allein die blöden Versicherungen jeden Monat zu bedienen ist das halbe Gehalt schon mal weg und der Kühlschrank und der Tank, um überhaupt zur Arbeit zu kommen, sind immer noch leer. Man kann sich auch nicht einfach weigern, in so eine Sekte, wie eine Versicherung zu investieren, weil es ja von Gesetz wegen vorgeschrieben ist! Ade, freie Entscheidung! Dabei denkt niemand daran, dass so eine Versicherung nicht verhindert, dass du krank wirst… sie verhindert auch nicht, dass du einen Unfall hast und sie verhindert auch nicht, dass du stirbst! Was soll mit dem Geld passieren, das viele Geld, das du über Jahre eingezahlt hast, wenn du eines Tages den Löffel abgibst… vererben?! Und wenn du krank wirst, sei dir sicher, dass deine Versicherung vorher in dem schlecht verständlichen Vertrag genau festgelegt hat, für welche Krankheiten sie nicht aufkommen wird! Und dann ist da ja noch die Selbstbeteiligung!
Also wenn allein dieses Thema nicht Grund genug ist, um depressiv zu werden, dann weiß ich auch nicht.

Zu guter Letzt hilft als letzter Ausweg vielleicht doch nur eines: reden! Wenn man nicht darüber reden möchte, was einen traurig macht und man sich nicht mehr erinnern kann, wann man sich zuletzt über etwas gefreut hat, dann redet man halt über Sachen, die einen wütend machen! Vielleicht findet man ja Waffenbrüder und man kann endlich wieder gemeinsam ein Projekt bestreiten oder zusammen gegen etwas kämpfen. Und auch wenn es am Ende nur beim Reden bleibt, hilft es doch, sich endlich wieder verstanden und dazugehörig zu fühlen. Der Mensch ist kein Einzelgänger. Wir sind Rudeltiere und folgen gerne einer vorher streng ausgefochtenen Rangordnung. Und auch die Welt, in der wir leben, schaffen und gestalten wir uns selber. Der größte Fehler ist es, gegebene Umstände, welcher Art auch immer einfach hinzunehmen. Wenn man Lebensumstände, in die man nicht hineinpasst, einfach als unabänderbar hinnimmt, wird man schnell depressiv. Aber es gibt ja noch zwei andere Möglichkeiten: entweder man kämpft dagegen an und ändert endlich etwas oder man weicht der Situation aus und findet irgendwo anders ein Rudel, mit dem man zwar nicht verwandt ist, in das man von der inneren Einstellung her aber besser hinein passt. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Also alle Mann ran an den Amboss! Der Mensch hat ein Recht auf Glück, auch wenn es nicht im deutschen Grundgesetz verankert ist! Also nichts wie hin zum Bundestag, zu den Mädels und Buben mit den herunterhängenden Mundwinkeln und dieses wichtige Grundrecht gleich mal nachtragen lassen, damit wir endlich wieder lernen, nach dem Glück im Leben zu streben!!!


Text: Nadja von der Hocht
Grafik: Nadja von der Hocht