Die Jeans gibt es heute in allen erdenklichen Farben und Formen: chick aufgehübscht mit Stickereien, Perlchen oder Glitzersteinchen aber auch durchlöchert, ausgefranst und verwaschen. Seit einiger Zeit versucht jedermann,
aber auch jede Frau ihre oder seine Figur in eine sogenannte „Röhrenjeans zu quetschen, in der man sich als ausgereifter Mensch sofort vorkommt, wie eine zum Bersten gespannte Presswurst kurz vorm Platzen!
Egal wie gut sie bei der Anprobe noch gepasst hat, spätestens nach der nächsten Nahrungsaufnahme hat man das Gefühl, die Hose währe plötzlich und noch während des Tragens um mindestens zwei Nummern eingelaufen! Und leider sind „normale“ Jeans kaum noch zu kriegen, weil irgendein Modewilli wieder mal bestimmt hat, daß wir jetzt alle in diesen viel zu engen und optisch unvorteilhaften Wurstpellen rumlaufen sollen! Aber zum Glück ist eine echte Jeans so gut wie unverwüstlich und hält auch jahrelangen Strapazen stand, denn schließlich ist sie einmal als Arbeitshose für Goldgräber auf den Markt gekommen und wer sich von seinen geliebten Jeans nicht trennen konnte, auch wenn man über die Jahre aus der ein oder anderen „herausgewachsen“ ist, kann man immer wieder auf die älteren Modelle im Schrank zurückgreifen, wenn einem die aktuelle Modeausrichtung nicht gefällt … vorausgesetzt, man hat vorher seine Figur wieder seinem Lieblingstextil angepasst…
Die Röhrenjeans ist übrigens keine neumodische Erscheinung. Die knallengen Dinger gibt es schon seit den 1970er Jahren. Dazu gehören beispielsweise zwei ganz typische Modelle wie die „Levis 631“ und die noch engere „Levis 639“.
Der Siegeszug der Jeans begann aber schon viel früher, nämlich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Da wanderte der deutsche Händler Levi Strauss im Jahre 1847 nach San Francisco aus und verkaufte dort Güter des täglichen Bedarfs an Goldgräber. Dazu gehörte auch Kleidung. Diese musste natürlich besonders robust sein. Die ursprünglichen Baumwollhosen aus dem italienischen Genua oder die „Duck Pants“ aus Segeltuch, die er auch im Sortiment hatte, genügten den Ansprüchen nicht. Sie waren den rauen Arbeitsbedingungen der Goldgräber nicht gewachsen und auch nicht reißfest genug. Ganz besonders die Hosentaschen rissen dauernd ein, da die Goldgräber die Angewohnheit hatten, ihre gefundenen Nuggets sofort in die Taschen zu stopfen. Die Nähte an diesen Stellen waren die ersten, die nachgaben.
Der Schneider Jacob Davis kam dann auf die glorreiche Idee, die Nähte der Arbeitshosen mit Nieten zu verstärken. Allerdings hatte er nicht das Geld, seine Idee zum Patent anzumelden. Also wandte er sich an Levi Strauss, der ihn zum Partner machte. Eine Hose mit an den Ecken mit Nieten verstärkten Hosentaschen wurde erstmals 1872 produziert und am 20. Mai 1873 zum Patent angemeldet, dessen Inhaber Strauss und Davis gemeinsam waren. Der Entwurf wurde mit der Zeit noch verbessert. Das braune Segeltuch wurde von mit Indigo gefärbtem, blauem Baumwollstoff abgelöst. Die Nähte der blauen Hosen wurden mit orangefarbenen Fäden zusammengenäht und schließlich mit Nieten verziert. Bald darauf wechselte man auch bei der Webart der Stoffe von der ursprünglichen Leinen- auf die viel stabilere Körperbindung. Bei der Jeans ist es der „Denimstoff“.
Ihren Namen verdankt die Jeans übrigens dem Umstand, dass die Amerikaner sich schwer tun, ausländische Namen korrekt auszusprechen, und den Dingen lieber ihre eigene Wortschöpfung verpassen, die ihnen leichter von der Zunge rollt.
Die ursprünglichen Arbeitshosen, die noch keine echten Jeans waren, kamen aus Genua und wurden vielleicht von französischen Händlern importiert, denn der Name „Jeans“ leitet sich von der französischen Form des italienischen Städtenamens „Gênes“ ab. Und so wurde aus der „Gênes“ die „Jeans“.
Um 1920 setzte sich der Begriff „Blue Jeans“ durch, da alle Hosen weiterhin mit dem blauen Farbstoff Indigo gefärbt wurden.
In Europa landete die Jeans schließlich mit amerikanischen Soldaten, die sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mitbrachten.
Die Firma „L. Hermann Kleiderfabrik“ die 1932 gegründet wurde und ihren Sitz im fränkischen Künzelsau hat, stellte als erste Firma in Europa 1948 die ersten Jeans her. Diese Kleiderfabrik heißt heute „Mustang“ und ist eine bekannte Jeans- und Lifestyle-Marke mit Standorten in Europa, Russland und China.
1953 kamen endlich die ersten Modelle für Frauen auf den Markt. Diese Jeans hatten den Reißverschluß noch an der Seite.
Die blauen „Texashosen“, wie sie in Europa auch genannt wurden, erfreuten sich zunächst bei „Otto Normalspießern“ keiner großen Beliebtheit und so wählte die Jugend der 1950 Jahre die Jeans als optimales Kleidungsstück, um ihre „Alten“ auf die Palme zu bringen. Bald galt die Jeans als Symbol des Protestes gegen Tradition und Autorität. Man setzte sie gleich mit „gewalttätiger Unreife und mutwilliger Herausforderung der Konventionen“.
Ihr Bekanntheitsgrad wurde allerdings durch diverse Filmstars wie Marlon Brando oder James Dean, die auch ständig in Blue Jeans auf der Leinwand zu sehen waren, noch gesteigert.
In der DDR war das Tragen einer Jeans sogar Anlaß für zahlreiche Schulverweise und Klubhausverbote …. bis die Obrigkeit in den 1980ern selbst in volkseigene Produktion ging und die Jeans mit den Marken „Boxer“, „Wisent“ und „Shanty“ zur Freizeithose schlechthin wurde.
Heute ist die Jeans aus keinem Kleiderschrank mehr weg zu denken. Es gibt sie in zahlreichen Passformen. Von der Schlagjeans, über die Röhren- und Skinny-Jeans bis zur Shaping-, Karotten- oder Baggy-Jeans ist alles dabei. Es gibt sogar Jogging- und Reitjeans.
So unterschiedlich die Schnittmuster sind, so mannigfaltig sind auch die Verzierungen. Wobei mancher Modetrend mal wieder sehr fragwürdig ist. Warum sollte man sich beispielsweise für teuer Geld eine sogenannte „Designer-Jeans“ mit industriell hergestellten Löchern und absichtlich platzierten Schadstellen kaufen?! Ich kann meine Hose immer noch selber kaputt machen! Da kauft man sich doch lieber für weniger Geld ein intaktes Kleidungsstück. Die hellen Flecken und aufgeriebenen Stellen entstehen mit der Zeit durch fleißiges Tragen doch von selber! Außerdem erzählt jede alte Jeans ihre eigene Geschichte:
Mit der Stelle ist man damals an einem Nagel hängen geblieben, der Hosenboden ist aufgescheuert, weil man meinte, unbedingt diese Mauer herunterrutschen zu müssen und die aufgerissenen Stellen an beiden Knien stammen noch von dem Tag, als ich dachte, Skateboard fahren zu können...
Jede Jeans hat ihre eigene, trägerbezogene, individuelle Geschichte. Eine Jeans vererbt man auch nicht. Man trägt sie, bis sie einem vom Hintern fällt. Das Besondere daran ist, egal wie sehr sich so eine echte Jeans irgendwann aufgelöst haben mag, was am Ende übrig bleibt, sind jede Menge Erinnerungen, die Nähte und die Nieten!
Text: Nadja von der Hocht
Foto: Lion Hirth (Prissantenbär), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons