Der LippenstifftDer Lippenstift, wie wir ihn heute kennen, ist noch gar nicht so alt. Der französische Kosmetikkonzern „Guerlain“ kam 1910 als erster auf die Idee, den kleinen Schmierstift der praktischeren Handhabung halber in eine kleine Metallhülse zu stecken. Seit dem ist der Lippenstift wohl in jeder

Damenhandtasche zu Hause.
Die Idee seine Lippen mit Fett zu pflegen oder sogar farblich zu betonen ist allerdings schon viel, viel älter. Der älteste Fund, bei dem man davon ausgeht, dass er zum Färben der Lippen benutzt wurde, stammt aus der sumerischen Stadt „Ur“ und wird auf das Jahr 3500 vor Christus datiert!

Auch von ägyptischen Pharaoinnen wie Nofretete (um 1350 vor Christus) oder Kleopatra VII. ( um 50 vor Christus ) wissen wir, dass sie ihre Lippen rot schminkten. Sie benutzten dazu Ocker und Farbsäfte, die sie mit Schilfrohr auftrugen.
Ebenso waren bei vielen Kriegern bemalte Lippen sehr beliebt. In Regionen Afrikas leben heute noch Stämme, wie die Tuareg oder die Wodaabe, deren Männer sich die Lippen schwarz färben. Unglücklicherweise verwenden sie dazu giftigen Industrieabfall, wie die Flüssigkeit aus verbrauchten Alkalibatterien.
Im alten Griechenland allerdings erkannte man nur Künstlerinnen, Hetären und Prostituierte an den roten Lippen. Eine freie Griechin aus dem fünften Jahrhundert vor Christus hätte sich niemals mit Schminke im Gesicht in die Öffentlichkeit gewagt.
Im alten Japan dagegen gehörte das Schminken zur Pflicht einer hochgestellten Frau. Dort benutzte man eine Mischung aus Wachs, Honig und Pigmenten, was der Zusammensetzung des modernen Lippenstiftes schon recht nahe kam.
Ebenso später im barocken England war das Schminken sehr populär. Königin Elisabeth I. machte es allen vor und betonte ihre rot geschminkten Lippen noch durch den starken Kontrast ihres weiß gepuderten Gesichtes. Angeblich war sie sogar die erste Frau, die Lippenfarbe in Stiftform benutzt hat. Der Ihrige setzte sich aus einer Mixtur aus Alabaster, Gips und Farbpartikeln zusammen, was wahrscheinlich oft für spröde Lippen gesorgt haben mag…
Königin Victoria dagegen, entschied 1860 ganz puritanisch, das Make-up „unhöfisch“ sei und verbat kurzerhand all ihren Untertanen und vor allem ihrem Hofstaat das benutzen von Schminke.
1883 präsentierte ein Pariser Parfümersteller auf der Weltausstellung in Amsterdam einen in Seidenpapier gewickelten Stift aus gefärbtem Rizinusöl, Hirschtalg und Bienenwachs. Mit diesem Produkt hatte er allerdings kaum Erfolg, da Lippenfarbe und Make-up nach wie vor als sündhaft galten. Außerdem war das Utensil sehr teuer und kaum eine Frau wollte sich sowas leisten.
Es war eine Künstlerin, die den Lippenstift wieder in Mode brachte und ihm den Weg in die Neuzeit frei machte: keine Geringere als die Schauspielerin Sarah Bernhardt (1844 – 1923) stellte sich mit kirschrotem Mund auf die Bühne und machte so den Lippenstift wieder populär.
In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts startete der Lippenstift endgültig seinen Siegeszug. Ab 1948 verpassten Designer der Lippenfarbe eine praktische Metallhülse mit Schiebemechanismus, damit die Farbe sich nicht im gesamten Täschchen der Damen ausbreitete, sondern im chicken Accessoire an Ort und Stelle blieb, bis Madame entschied, es zu benutzen ohne sich die Finger mit zu färben.
Die amerikanische Chemikerin Hazel Bishop schließlich, entwickelte den bis heute verwendeten Lippenstift auf Lanolin-Basis, der die Farbe auf den Lippen nicht verschmieren läßt.
Moderne Lippenstifte bestehen heutzutage aus Ölen, Wachsen, Pigmenten und weiteren Chemikalien. Letztere Zutaten sorgen für die notwendige Haltbarkeit bei „kussechten“ Farben, weshalb Lippenstifte aus der Naturkosmetik weiterhin abfärben.
Die Mütter mehrere Generationen haben gerne versucht ihre Töchter vom zu frühen Gebrauch des Lippenstiftes abzuhalten, indem sie ihnen erzählten, die rote Farbe würde aus Läuseblut gewonnen … was zeitweise sogar der Wahrheit entsprach. Das Karminrote Pigment, auch bekannt als Lebensmittelfarbstoff E120, liefert uns bis heute die Cochenille-Schildaus und ist immer noch in vielen Lebensmitteln, Süßwaren und alkoholischen Getränken enthalten.
Doch von solchen Informationen ließ sich auf Dauer kein junges Mädchen davon abhalten sich nach und nach mit Lippenstiften in allen Farben für jeden erdenklichen Anlaß einzudecken. Der Siegeszug des Lippenstiftes ist ungebrochen und unaufhaltsam. Kein Markt auf der Welt ist auch in Krisenzeiten so stabil, wie der für Lippenkosmetik. Denn kaum eine Frau würde auf ihren geschmeidigen, verführerischen Kußmund freiwillig verzichten wollen…oder?


Text: Nadja von der Hocht


Foto:   ookikioo / CC BY